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Und dann?

Als meine Oma starb, war ich dreizehn und sehr traurig. Aber erst später. Erst habe ich so getan, als sei nichts gewesen: Ich hatte sie ja besucht. Ich wusste, es ging ihr schlecht. Und als dann über den Gartenzaun die Botschaft kam, spielte ich mit meinen Freundinnen weiter. Erst nach und nach konnte ich die Erkenntnis zulassen, wurde leiser, zog mich zurück.

Diese Oma, die Mutter meines Vaters, hatte keinen Vornamen, sie hieß nur Oma für mich – für all die Liebe, Fürsorge, Wärme, die sie lebte. Sie fehlte mir. Sie fehlte auch meinen Eltern. Als die Amsel im Nussbaum sang, sagte mein Vater: „das ist Muttern“. Als die Ente im Müggel quakte, sagte meine Mutter: „Guck mal, die Oma!“:
Niemand hatte zuvor mit mir über Seelenwanderung, Wiedergeburt, das Leben nach dem Tod oder dessen Endgültigkeit geredet – und genau deshalb denke ich, es wäre schön, mit Kindern ins Gespräch zu kommen – wir haben keine Antworten, wir haben nur Fragen. Aber wenn man spürt, dass die Erwachsenen auch nur Fragen haben, ist es vielleicht als Kind leichter, Antworten zu finden.

Heute bin ich viel älter, selber schon eine Oma. Und nähere mich meinem eigenen Tod. Aber er ängstigt mich nicht. Auch wenn ich nicht direkt als Amsel wieder geboren werde, auch wenn meine Seele als solche, also mein gegenwärtiges Bewusstsein, nicht in irgendeinem Himmel oder Hölle sein wird, auch wenn ich nicht glaube, dass man als Individuum (mit all dem Wissen, das „ich“ zu „ich“ macht) aufersteht, so bin ich mir doch sicher, dass nichts verloren geht in dieser Welt. Es wird nur transformiert, gewandelt, verwandelt. Aus meinem Körper wird Asche, Erde – Würmer, Asseln, Mikroben ernähren sich, machen aus mir Humus. Pflanzen, Bäume, Sträucher, Blumen wurzeln in mir, wachsen zum Licht, leben und sind Nahrung für Tiere und Menschen.
Das ist der Körper – und was ist mit dem, was wir auch noch sind? Unser Denken? Unser Fühlen? Geist und Seele?
Leben denn nicht Ideen, Worte, Gedanken weiter in denen, denen ich erzählt habe? Die vielleicht eine Idee weiter verfolgen und umsetzen?
Lebe ich nicht weiter in jedem, der sich an mich erinnert?
Lebe ich nicht weiter in jeder Liebe, die da noch ist von Kind oder Enkel oder Urenkel?
So ist doch aufs Beste gesorgt für alle und genau davon erzählen Mythen und Märchen aus aller Welt und auf die aller unterschiedlichste Art und Weise.
Vom australischen Kakadu, der vom Baum fällt, sich das Genick bricht und die Stammes-versammlung der Tiere überlegt, was das nun ist: Der Tod. Des Rätsels Lösung finden die Schmetterlinge – Nichts sein und in neuer Gestalt wieder geboren werden….
Dann der fromme Wunsch von Philemon und Bauchis, sich niemals trennen zu müssen, auch im Tod nicht, und ihre Verwandlung zu Bäumen.
Und
dann die humorvolle dritte Geschichte von der Akazie, die selber schön und heil bleiben will – aber erfahren muss, dass sie nur durch den eigenen Tod unsterblich werden kann.

Olaf Garbow wird mit seiner Musik einen Raum um die Märchen schaffen, in dem Fragen gestellt und gemeinsam nach Antworten gesucht werden kann. Wir möchten unsere Zuhörer zum gemeinsamen Philosophieren über die wichtigste Frage des Lebens einladen: den Tod.

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